Wir haben uns die Zeit genommen, unsere diesjährige Hauptpreisträgerin, Erika Morosov, noch einmal auf ein Wort zu sprechen. Erika Morosov beschäftigte sich in ihrer Abschlussarbeit mit der Digitalisierung in Unternehmen. Dabei wollten wir wissen, für welche FM-Prozesse die Digitalisierung am weitesten vorangeschritten scheint, welche die wichtigsten Erkenntnisse für die tägliche Arbeit im FM sind und ob sich die Ergebnisse nach Corona verändert haben.
Wir bedanken uns für das freundliche Gespräch mit Erika Morosov und freuen uns, die Fragen und Antworten hier zu teilen.
1) Frau Morosov, Ihre großartige Arbeit beschäftigt sich mit dem Reifegrad der Digitalisierung in Organisationen. Hierzu haben Sie FM-Prozesse nach GEFMA 914 untersucht. Für welche Prozesse sehen Sie die Digitalisierung am weitesten vorangeschritten?
Die relevanten FM-Prozesse der GEFMA 914 mit dem größten Digitalisierungspotenzial sind:
1. Dokumentation und Reporting
2. Stellenbesetzung
3. Bedienung und Überwachung
4. Störungsmanagement
5. Inspektion, Wartung und Prüfung
6. Unterhaltsreinigung
7. Objektbuchhaltung
Diese Prozesse werden meist häufig durchgeführt, benötigen zum Teil hohe zeitliche Ressourcen und weisen in ihrer Abfolge wenige Ausnahmen auf. Weiterhin können in den meisten Fällen Entscheidungen in Wenn-Dann-Bedingungen überführt und auf direkte Kommunikation verzichtet werden. Ein wesentliches Argument für diese Prozesse ist auch die Möglichkeit zur digitalen Datenerfassung, -speicherung, -bearbeitung und -auswertung. Die Digitalisierung der oben aufgeführten Prozesse kann somit zur Effizienzsteigerung, zur Freisetzung von Kapazitäten, Erhöhung der Transparenz, aber auch zu wirtschaftlichen Vorteilen führen.
2) Welches ist für Sie die wichtigste Erkenntnis aus den Ergebnissen, die die tägliche Arbeit im Facility Management betrifft?
Während der Recherche zu meiner Masterthesis wurde immer wieder deutlich, dass die Datenaufbereitung eine wesentliche Grundlage der Digitalisierung darstellt: Ohne digitale Daten können Prozessschritte nicht automatisiert und Menschen nicht mit digitalen Systemen vernetzt werden. In der Praxis gestaltet sich die Datenerfassung und -bearbeitung durch die Vielzahl von Prozessbeteiligten, den heterogenen Dokumentationsstrukturen und teilweise unzureichenden Datenqualitäten sehr schwierig. Dies kann die Informations- und Kommunikationsflüsse zur Wahrnehmung der Betreiberpflichten und die Handlungsfähigkeit des FMs negativ beeinflussen. Daher ist eine standardisierte, transparente und umfängliche Datenerfassung und -bearbeitung für die Digitalisierung von FM-Prozessen unumgänglich und beeinflusst das operative Tagesgeschäft immens.
3) Würden sich Ihre Ergebnisse nach Corona verändern?
Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen bestärken sogar die Ergebnisse meiner Masterthesis. Durch die Pandemie wurden die Organisationen zur Auseinandersetzung mit ihrem digitalen Reifegrad gezwungen. Dadurch, dass ein Großteil der Beschäftigten ins Home-Office geschickt wurde, musste geprüft werden, ob die Mitarbeiter auf relevante Daten zugreifen und ihre Aufgaben auch ohne direkte Kommunikation bewältigen können. Außerdem wurde die IT-Infrastruktur der jeweiligen Organisation und die technische Ausstattung der Beschäftigten einer Härteprobe unterzogen. All diese Aspekte werden auch in meinem Reifegradmodell behandelt und dienen als Indikatoren zur Ermittlung des Digitalisierungsgrades einer Organisation. Letztlich stellt die Pandemie für uns alle eine Herausforderung mit gewaltigen Auswirkungen dar, bietet jedoch auch für einige Organisationen eine Chance zur Digitalisierung.